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Kopfermann Rezension – lang

Vorwort

Welcher Gläubige kennt nicht das Erstaunen vor dem, was Christus auf Golgatha stellvertretend für den getan hat, der glaubt. Dabei geht es keinesfalls um bloße seelische Ergriffenheit, sondern wachsendes Erstaunen über die unfaßbare Größe dessen, was unser Herr ein für allemal bewirkt hat.

Christus starb ‚nicht nur‘ für uns„… Eine für sich genommen schier unglaubliche Aussage! „In Christus„, also durch den von Gott in uns geschenkten Glauben dürfen wir an der stellvertretenden Tat Anteil haben. Offensichtlich existieren völlig unterschiedliche Verständnisse darüber, welche Erkenntnisse und Wirklichkeiten Begeisterung auslösen sollten…

Teilband 1 – Grundlegung

Kopfermann – er schreibt dies explizit – wird im ersten Teilband nicht selbst exegetisch tätig, sondern greift auf Arbeiten diverser anderer Theologen zurück, wendet sich mit diesem Buch ausdrücklich an ein „evangelikales“ und „charismatisches“ Publikum.

Auffällig ist dabei ist nun, das die Riege der Theologen eigentlich durchgängig aus dem liberalen Spektrum stammen (Albert Schweitzer, E.P. Sanders, Georg Strecker, Udo Schneller etc.). Nun kokettiert er mit „Wahrheit“ [Amicus Plato, sed magis amica veritas] der es egal sei wo man diese finde, verkennt dabei jedoch offenbar, das daß Wasser, je nach dem aus welcher Quelle man schöpft, unterschiedlich schmeckt…

Er versucht nun im ersten Kapitel (Die Frage nach der Mitte des paulinischen Denkens) – vornehmlich mit Zitaten der jeweiligen Theologen – eine besondere Spiritualität des paulinischen „in Christus-Sein“ herauszuarbeiten und diese gegen die lutherische „Rechtfertigung aus Glauben“ in Stellung zu bringen. Er versucht – naheliegend – den effektiven Aspekt der Rechtfertigung aus Glauben gegen den forensischen Aspekt zu betonen und spitzt – für einen Charismatiker zu erwarten – seine Argumentation auf ein mystisch-erfahrbares „in Christus-Sein“ zu.

Diese paulinische Sprachfigur anders interpretierend, bemüht sich Kopfermann, die juridische Argumentation des Paulus, insbesondere bezüglich der „Rechtfertigung aus Glauben“ zu negieren und gegen einen partizipatorisch-transformatorischen Aspekt auszuspielen. Immer wieder betont er, der grundlegenden Argumentation des jeweiligen Theologen nicht zu folgen – offensichtlich aus welchem Grund – nimmt mal hier und dort ein ihm passend erscheinendes Argument um es in seine Konzeption des „in Christus-Sein“ einzupassen.

Kopfermann postuliert eine mystische, persönlich erfahrbare Teilhabe an Christus bzw. fortgesetzte „Partizipation und Transformation„, aufbauend auf einem spirituell, erfahrungstheologischen Verständnis des „in Christus-Seins“ auf exegetischer Basis liberaler Theologie.

Kopfermann möchte aus „Martin Luthers langem Schatten“ treten, so die Überschrift des zweiten Kapitels. Ein hoher Anspruch für ein kleines, dünnes Buch und ein dreißigseitiges Kapitel im Taschenbuchformat. Man wünschte sich eine unmittelbare Antwort Luthers im Stil seines Briefes an Erasmus von Rotterdam, „De servo arbitrio„. Er führt durchaus richtig aus, das Luther bei der „Rechtfertigung aus Glauben“ dem forensischen (gerechtsprechenden), Vorrang gegenüber dem effektiven (gerechtmachenden) Aspekt einräumt. Ziel dieses Kapitels ist, das macht Kopfermann deutlich, das lutherische „simul iustus et peccator“ (in den Grundzügen bereits bei Augustinus zu finden) zu widerlegen. Wie bereits im ersten Kapitel, greift er primär auf exegetische Ergebnisse anderer Theologen zurück und nutzt, ihm passend erscheinende Zitate nur insoweit, als diese seiner Argumentation dienlich scheinen (Paul Althaus, Wilfried Joest etc.).

Ich empfinde es in der Tat als erheiternd, wenn Kopfermann beispielsweise Althaus in der Frage eines behaupteten Widerspruchs zwischen dem Sündenverständnis des Paulus und Luthers vorwirft, dieser gehe über das „evangelische Schriftprinzip“ hinaus und berufe sich auf „Erfahrung„. Ist es doch gerade eines der Hauptmerkmale liberaler Bibelwissenschaft bzw. Textkritik, dem reformatorischen Prinzip „sui ipsius interpres“ (die Schrift ist durch die Schrift auszulegen) zu widersprechen. Ebenso wie es doch speziell Lehre und Praxis charismatischer Führungspersonen ist, persönliche „Erfahrungen“ oder „Offenbarungen “ erst in der Retrospektive theologisch zu begründen.

Kopfermanns Vorgehensweise bei dem Versuch einer Begründung seiner Hypothese, erinnert nun an jemanden, der zwar dem Ergebnis einer Methodik zustimmt, dem aber die Methode selbst unangenehm ist, diese offiziell nicht gutheißen will oder darf. Nachvollziehbar wenn die Zielgruppe erklärterweise „evangelikal“ sein soll.

Er versucht, mittels einer Exegese zu Römer 7,7-25 und Galater 5,16-18, Luther hinsichtlich des „simul iustus et peccator“ den argumentativen Boden unter den Füssen zu entziehen. Er instrumentalisiert dazu eine behauptete „Überzeugung der Bibelwissenschaft die sich im deutschsprachen Raum durchgesetzt habe“ (also der liberalen Textkritik), nach der in Romerbrief 7 nicht der Gläubige, sondern der „vorchristliche Mensch“ behandelt werde. Er wird wohl – meinerseits unwidersprochen – damit recht haben, daß dies zeitgenössische Lehrmeinung liberaler Theologie zu diesem Thema ist. Allein dem geistlich-logischem Aufbau der Evangeliumsdarstellung im Römerbrief jedoch widerspräche ein Rückblick auf die vorchristliche Zeit eines Gläubigen.

„Spannend“ wird es, wenn er Paulus seid dessen Bekehrung auf Seite 38 völlige Sündenfreiheit zuspricht. Er konstruiert dies u.a. aus der Aufforderung des Paulus an seine Leser, seine Nachahmer (imitatio Pauli) zu sein, unterschlägt dabei jedoch, das Paulus sich selbst lediglich als Nachahmer Christi versteht. Eine knappe, argumentativ und belegmäßig dürre Seite… und da steht er also, der sündenfreie Mensch, die „neue Kreatur„!

Folgt er Althaus hier in Gänze, widerspricht er diesem andere Male  grundsätzlich. Er leitet damit über, zu einer auch der Gemeinde allgemein hypothetisch möglichen Sündenfreiheit, die er im theologisch-exegetischen Teil seines Buches mit einer halben Seite behandelt. Die daraus von Kopfermann abgeleitete Praxis beansprucht mehr Seiten…

Auf Seite 44 kommt er zum ersten Mal konkret inhaltlich auf das, was Paulus seiner Meinung nach, mit „in Christus Sein“ meint, zu sprechen, ohne es jedoch begrifflich anzuführen. Er stellt weiterhin die grundsätzliche Behauptung auf, der Gläubige wäre abschliessend gestorben, begraben und Christus gleich geworden.

Kopfermann: „Bei Christen ist der Tod mit Christus bis zum Begräbnis abgeschlossen. Darum heißt es: wir sind gestorben (V.2),wir wurden mitbegraben (V.4), wir sind … gleich geworden (V.5), unser alter Mensch wurde mitgekreuzigt (V.6), wenn wir mit Christus gestorben sind (V.8)“.

Kopfermann begreift diese – zweifelsfrei grundlegend soteriologischen – Wahrheiten jedoch als spirituell-erfahrbare Indikative, verlagert diese Geschehnisse von der zeithistorischen Stellvertretung Christi weg, hin zur erleb- und erfahrbaren Wirklichkeit des Gläubigen im hier und jetzt, bei welchem dieses Geschehen sogar zum Abschluss (!) gekommen sein soll. Hier tritt Kopfermann nicht bloß aus dem Schatten Luther’s heraus, sondern verläßt das grammatikalisch-historische Textverständnis der Reformation. Wähnt Kopfermann Luther im Irrtum, hat dabei jedoch selbst weder Luther und erst recht Paulus „erfasst„.

Die reale Indikative des Sterbens, Gekreuzigt-, Begraben- und Auferstandenseins ist ausschließlich beim historischen Tod und der leiblichen Auferstehung Christi, vor zweitausend Jahren, einzig und allein bei Christus selbst zu verorten, nicht wiederkehrend bei Menschen die gegenwärtig zum Glauben kommen. Kopfermann vollzieht hier – zwar auf andere Weise – aber vergleichbar, die mystische römische Lehre nach, bei der konkret, fassbare Heilswirklichkeiten durch die Sakramente, Christus selbst zuteil wird. „In Christus -Sein“ beinhaltet bei ihm nicht glaubensmäßige Zurechnung, sondern eine wesensmäßige Partizipation und Transformation des Gläubigen an dem, was Christus stellvertretend getan hat.

Hier geht es nicht bloß um eine Akzentverschiebung bei der Formulierung des Evangeliums, sondern eine geistliche Schwerpunktverschiebung grundsätzlicher Natur bzw. Tragweite. Ähnlich wie bei dem römisch-katholischen Sakramental- respektive Eucharistieverständnis wird das Geschehen von der historischen Begebenheit gelöst und in die Gegenwart wiederkehrend übertragen. Ein mystisch-spirituelle Phänomen das magisch andeucht und eine Notwendigkeit darstellt.

Kopfermann hat sich belesen, dies muß man ihm zugestehen und er benennt – wenn auch unzureichend – teilweise Gegenpositionen. Mit einer kritischen Auseinandersetzung von zwei Arbeiten unterschlägt er durchaus tragende und grundlegende Begründung für den Tatbestand des „simul iustus et peccator“ nicht, räumt dieser Argumentation jedoch nur minimal und unzureichend Platz ein. Insbesondere eine Auseinandersetzung mit 1Joh1 kommt inhaltlich viel zu kurz, paßt diese offensichtlich nicht in die argumentative Strategie.

Es bleibt festzuhalten, das es Kopfermann an keiner Stelle gelingt, sein hochgesteckte Ziel, aus Luthers Schatten zu treten, mit seinem Ritt durch die Ergebnisse liberaler Bibelwissenschaft zu erreichen. Es erscheint als engagierter – aber gescheiterter – Versuch, charismatische Erfahrungstheologie auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen.

In den nächsten drei kurzen Kapiteln behandelt er sehr knapp das Gestorben-, Gekreuzigt- und Auferstandensein, ohne das Wesentliche daran, die Stellvertretung, das wir dies glaubend „in Christus“ sind, uns dafür halten sollen, exegetisch auszuführen. Man fragt sich weshalb?!

Endet das zweite Kapitel etwas hochtrabend mit dem Satz (S.54)

Kopfermann: „Mir scheint, daß sich die Formel „simul iustus et peccator“ auch weiterhin nicht im Neuen Testament verankern lässt“,

sagt er dem widersprechend im vierten Kapitel (S.64)

Kopfermann: „Die paulinische Sicht des Mitgekreuzigtseins mit Christus wirft sowohl theologische als auch praktische Probleme auf. Auf der exegetische Ebene stellen wir fest, das Paulus mit dem Vorhandensein unserer christlichen Existenz (sic!) weiter rechnet. Auf der praktischen Ebene machen Christen die Erfahrung, daß der gekreuzigte „alte Mensch“ bzw. Das gekreuzigte „Fleisch“ sich als sehr vital erweist.“

Ja was denn nun? Kopfermann ist dort, wo er die theoretische Diskussionsebene anderer exegetischer Ergebnisse verläßt, inkonsequent in seiner Argumentation. Kann das „lutherische Aas“ nun doch schwimmen, oder liegt es, Kopfermann folgend, tot am Grund, wie er uns glaubend machen möchte?

Die Argumentationsbasis ist dünn und Kopfermann bleibt vage bzw. äußert sich zu dem Wesen des „in Christus-Sein“ nicht stringent. Wenn man Paulus hier jedoch nicht recht versteht, muß man zwangsläufig auf theologische und praktische Probleme stoßen. Er versucht diese aufzulösen, widerspricht seiner Hypothese jedoch immer wieder selbst, schreibt beispielsweise (S.64)

Kopfermann: „Auch im Kolosserbrief setzt Paulus voraus, das der gekreuzigte „alte Mensch“ noch nicht beseitigt ist, daß er als gekreuzigter noch sein Unwesen treibt bzw. seine verlorene Position zurückgewinnen sucht.“, oder: „Vielmehr fordert Paulus zum „Töten“ (Kol3,5) der Lebensäusserungen des alten Menschen auf…“.

Richtig! Will man hier ausrufen!

Es kann und darf aber nicht sein, was der romantisch-schwärmerischen und damit idealisierten Sichtweise widerspricht, daher werden diese kurzen Lichtblicke durch lange Argumentationsversuche wieder schnell vernebelt.

Weil nun ohne Zweifel der Eindruck entsteht, es gäbe keinen Lichtblick festzuhalten bzw. positive Dinge anzumerken, möchte ich einen nicht übergehen. Sowohl das sechste als auch das siebente Kapitel (Neuer Bund bzw. Gesetz) können als recht erfreulich empfunden werden. Kopfermann referiert über lange Strecken selbst bzw. sind keine größeren Schwachpunkte zu entdecken.

Im Gegenteil bringt er beispielsweise eine gute Erklärung für den griechischen Begriff „diatheekee“ (zumeist mit Bund oder Testament übersetzt) und schreibt:

Kopfermann: „Es ist unter uns üblich, den griechischen Begriff „diatheekee“ sowie das ihm zugrunde liegende hebräische Wort „berith“ mit „Bund“ zu übersetzen. Diese Übersetzung ist höchst mißverständlich, weil wir im Deutschen bei „Bund“ meist an so etwas wie eine zweiseitige vertragliche Abmachung unter gleichrangigen Partnern denken. Das Wort „bertih“ meint aber zunächst einmal eine einseitige Verpflichtung und Zusicherung mit schwurähnlicher Verbindlichkeit, die ein Mächtiger zu Gunsten eines Schwächeren vollzieht. Es geht, auf den geistlichen Bereich bezogen, darum, daß Gott mit Menschen – für diese Menschen – einen Bund schließt, d.h. eine Verfügung erläßt. daß diese Selbstverpflichtung Gottes dann die Fremdverpflichtung zur Folge hat, ist unbestreitbar. Nur darf der „Gnadencharakter“ des göttlichen Bundesschlußes nicht aus dem Blickfeld geraten!“

Ich halte diesen Vorschlag Kopfermann’s für angemessen. Bei den üblichen Übersetzungen (Bund, Testament) hat sich eine sprachliche Entwicklung ergeben, welche den souveränen Charakter der Erwählung durch Gott biblisch nicht korrekt bzw. Ausreichend genug betont.

In den Kapiteln Acht, Neun und Zehn (Das Verhältnis von Indikativ und Imperativ; Die Eigendynamik des Heiligen Geistes; Das „Noch nicht“) setzt sich Kopfermann weiter mit dem auseinander, was er unter dem „in Christus-Sein“ verstanden wissen will.

Seiner Argumentation: „der Imperativ (Aufforderung) kann nur einfordern was im Indikativ (vorausgegangene Heilszusage) bereits gegeben, geschenkt, enthalten ist“ in Kapitel Acht, kann man durchaus folgen und auch was die gegenwärtige Partizipation angeht insoweit, als das jegliche perfektionistische Tendenz abzulehnen ist. Er bringt viele Beispiele des Nebeneinanders von Indikativ und Imperativ (z.B. Gal3,27 [ihr]…habt Christus angelegt; Röm13,12-14 legt den Herrn Jesus Christus an).

Jedoch tritt erneut ein Argumentationsbruch zu Tage, spricht er Paulus doch auf Seite 38 faktische Sündenfreiheit zu. Fehlende argumentative Stringenz, sowohl bei dem Versuch Luther zu widerlegen, als auch dem Versuch eine neue „in Christus-Sein„-Spiritualität zu begründen. Der Gedanke einer Partizipation, nicht einer bloßen Nachahmung Christi ist weder neu, noch steht dieser im Widerspruch zu dem Prinzip des „simul iustus et peccator„, wird im allgemeinen beispielsweise unter der Frucht des Glaubens subsummiert.

Im Kapitel Neun stellt er das „in Christus“ in Beziehung mit dem „im Geist„. Kopfermann setzt beides keineswegs gleich, wahrt auch die Unterscheidung, betont jedoch etwas überraschend die Personalität des Heiligen Geistes. Soweit so gut und bekannt. Kopfermann sucht mit dem Gesetz des Geistes (Röm8,2) eine „Christuswirklichkeit“ bzw. „Geistwirklichkeit“ zu begründen, welche das Gesetz der Sünde ersetzt hat. Auch das ist keine revolutionäre Erkenntnis, aber es entsteht der Eindruck einer anderen Akzentuierung, bei der eine mystische Instanz innerhalb des Menschen konstruiert werden soll. Bereits in „Farbenwechsel. Ein Grundkurs des Glaubens“ argumentiert Kopfermann mit psychologischen Tiefenschichten im Sinne C.G. Jung’s:

Kopfermann: „Der Verstand umfasst ja nur einen verhältnißmäßig kleinen Bereich meiner Person. Darüber hinaus gibt es Tiefenschichten, in denen zum Beispiel Menschheitserinnerungen, persönliche Lebenserfahrungen, aber auch künstlerische Fähigkeiten ››wohnen‹‹ und aus denen sie aufsteigen“

Hier fließen völlig sich gegenseitig ausschließende geistliche Quellen ineinander. Mit dem hier postulierten Innewohnen des Heiligen Geistes wird eine Gottesunmittelbarkeit behauptet, die unverträglich ist mit der Schrift bzw. der reformatorischen Lehre.

Das letzte Kapitel des ersten Teils, Kapitel Zehn ist überschrieben mit „Das ‚Noch nicht‘„. Kopfermann möchte mit Udo Schnelle auf der einen Seite verdeutlichen, das wir heute schon an der Auferstehungswirklichkeit Jesu Christi teilhaben, an der neuen Schöpfung und will dem „futuristischen Vorbehalt“ widersprechen. Auf der anderen Seite schreibt er zum Glück auf Seite 112 eindeutig: „Wer solche Aussagen perfektionistisch interpretiert, … wer im Widerspruch zu 1Joh1,8-10 von sich Sinnlosigkeit behauptet oder andere Christen in diesem Sinne lehrt, verläßt den Boden des Neuen Testaments.“.

Fazit- 1. Teilband

In dem ersten Teilband seines Buches unternimmt Kopfermann erklärterweise den Versuch grundlegend das lutherisch-reformatorische Prinzip des „simul iustus et peccator“ zu widerlegen, und versucht weiter thesenhaft eine theologisch tragfähige Dogmatik für eine neue spirituell-erfahrbare „Christuswirklichkeit„, dem „in Christus-Sein„, zu entwickeln. Der akademische Anspruch seiner Ausführungen ist jedoch nicht in der Lage, die zutage tretenden Widersprüche zu überdecken.

Er wendet sich explizit an „evangelikale und charismatische Zielgruppen“ (Seiten 9u.15), stellt ein Kernprinzip der reformatorischen Rechtfertigungslehre mit dem Anspruch in Frage, auch Luther müsse anhand der Schrift (sola scriptura) überprüfbar bleiben (Seite12), greift aber bei seiner argumentativen Puzzlearbeit „fremder exegetischer Kompetenz“ überwiegend auf die Expertise liberaler Bibelwissenschaft respektive Theologen zurück (Seite14). Es zeichnet Kopfermann – im Gegensatz zu anderen charismatischen Buchautoren -zweifelsohne aus, das er die Quellen seiner Lehre transparent macht, erscheinen jedoch zumindest Evangelikale als Zielgruppe des Buches als verfehlt. Wird doch sowohl in der Attitude bzw. dem Axiom als auch der Methodik der liberalen Bibelwissenschaft der Grundsatz des sola scriptura geleugnet.

Es gelingt Kopfermann nicht wie in den Kommentaren zu den Kapiteln ausgeführt, seine These mit dem biblischen Befund in Übereinstimmung zu bringen. Zumeist unbemerkt jedoch auch von ihm selbst eingestanden werden Argumentationsbrüche und klare Widersprüche sichtbar.

Teilband 2 – Einübung

Mit dem ersten Kapitel faßt Kopfermann offensichtlich die zweite Zielgruppe fester ins Auge. Es geht um „die Bedeutung persönlicher Offenbarung„. Der Unterschied des zweiten Teilbandes, „Einübung„, zum ersten ist gravierend und man merkt, das der Boden „systematischer Bibelwissenschaft“ bzw. selbst der schlichten Schriftauslegung verlassen wird und für das nachfolgend Ausgeführte in der Tat kontraproduktiv wäre.

Kopfermann führt eine Unterscheidung zwischen einem lediglich formalen, „äußeren Verstehen“ und einem „inneren Verstehen“ ein und definiert letzteres wie folgt (S.117): „Diesen Vorgang nennen wir persönliche Offenbarung“ . Wer ist „wir“ möchte man fragen. Auch hier wird ein klarer Bruch zum reformatorischen Prinzip der äußeren Klarheit der Schrift deutlich.

Als Beispiel führt er die „Damaskus-Erfahrung“ des Paulus an (Gal1,16) und versucht seine diesbezügliche Sichtweise über die Apostelschaft (Eph3,5) insgesamt hinaus, auf alle Christen (1Kor2,9-10) zu übertragen, ordnet beispielsweise selbst das „Zum-Glauben-Kommen“ darunter ein (S.118).

Man staune! Nicht durch das Wort Gottes gelangt man also nach Kopfermann zum Glauben, sondern durch „persönliche Offenbarung“. Wir stellen fest, daß reformatorische Mäntelchen wird vollends abgestriffen. Eine nicht aus dem Wort abzuleitende Ansicht wird in die Schrift hinein transportiert [Eisegese]. Ohne seine Lehraussage biblisch zu begründen, behauptet er sogar, das es jeweils „persönlicher Offenbarung“ bedürfe um zu einem „inneren Verstehen“ verschiedener geistlicher Wahrheiten zu gelangen (S.118). Wer sein Verständnis von dem „in Christus-Sein“ nicht besitzt, habe nur „äußeres Verstehen„. Eine so durchscheinend wie zu erwartende – nichtsdestotrotz entlarvende – Begründung. Charismatische Sonderlehren legitimiert durch „persönliche Offenbarung“ . Als Kronzeugen beruft er sich u.a. auf die Erfahrungen W. Nee’s.

Ein solches Verständnis ist der Bibel absolut und vollkommen fremd. Zum Glauben gelangt der Mensch durch die Verkündigung des Wortes in welchem die wahrhafte Offenbarung vorliegt (Tit1,3), also der Schriftauslegung (Röm10,17), im Wort Gottes allein liegt die Kraft Gottes zu Rettung (Jak1,21), ein tieferes Verständnis geistlicher Wahrheiten erhält der Gläubige durch das Studium der Schrift (Ag17,11) und nicht durch mystisch-spirituelle Erfahrungen in seiner Seele, seinem Empfinden. An keiner Stelle wird das Prinzip einer notwendigen „persönlichen Offenbarung“ gelehrt.

Die Quellen der neuen Erkenntnis Kopfermann’s sind also zum einen liberale Bibelkritik und zum anderen mystische, der Ratio entzogene Erkenntnis.

Im zweiten Kapitel, läßt Kopfermann uns ausführlich an „Hudson Taylor’s Geheimnis“ den spirituellen Erfahrungen des China-Missionars teilhaben. Letztenendes geht es um unterschiedliche Seelenzustände welche man fraglos aus dem eigenen Leben kennt. Aus Seelenzuständen geistliche Lehraussagen abzuleiten erscheint jedoch gewagt bzw. ist abzulehnen. Solcherlei Überlegung ficht Kopfermann unterdess‘ nicht an und so leitet dieser munter geistliche Prinzipien ab bzw. nutzt diese als „Beweise“ für seine These. Es bleibt jedem selbst überlassen diese Vorgehensweise zu beurteilen. Ich persönlich erachte dies bestenfalls als Stroh (1Kor3,12).

Das dritte Kapitel (die Buße und das Sterben des ‚alten Menschen‚) beginnt Kopfermann vollmundig mit der Feststellung, das Sterben des alten Menschen auf Golgaths sei „exegetisch gut abgesichert„.

Nun, dem ist nicht so. Der alte Mensch sei „in Christus“ wie bereits zuvor behauptet, abschließend gestorben. Dem evangelischen Theologen ist offensichtlich das grundlegende Prinzip der Stellvertretung (3Mo16) unbekannt. Von einer „guten exegetischer Absicherung“ kann demzufolge keinesfalls die Rede sein. In ein paar Halb- und Nebensätzen kanzelt er diesbezüglich sowohl Luther („…läßt sich nicht aufrechterhalten…“) als auch andere Theologen wie Bonhoeffer („…auch nicht richtiger…“) die in dessen lehrmäßiger Kontinuität stehen ab, ohne biblisch begründete Widerlegung.

Kopfermann: (Seite 131): „Noch einmal: Die Tötung des alten Menschen war Gottes exklusives Werk auf Golgatha.“

Grundlegender Irrtum. Die Tötung des Menschen Jesus Christus, der Gott ist, war Gottes exklusives, historisch-leibliches und stellvertretendes Heilswerk auf Golgatha für jeden der glaubt und seine Sünden auf Ihn, auf das Kreuz legt.

Kopfermann: „Keine wie auch immer geartete menschliche Aktivität,…“

Formal könnte man an dieser Stelle zustimmen, jedoch muß inhaltlich der nachfolgenden Ausführung eindeutig widersprechen, denn hier nimmt Kopfermann zum wiederholten Mal eine Verlagerung, weg von dem historischen Geschehens, hin zur gegenwärtigen Erfahrung vor, welche dem Prinzip der Stellvertretung und somit der Schrift widerspricht.

Kopfermann: „…keine Demütigung, kein Verzicht, kein freiwillig In-den-Tod-Geben des Fleisches kann und darf bewirken, was Gott in vollkommener Weise getan hat.“

Natürlich „bewirkte“ allein Christus etwas, aber da das Bewirkte nichts mystisches, sondern ein zeithistorisches Geschehen ist, argumentiert Kopfermann hier ins Leere. Auf den stellvertretenden Tod Christi am Kreuz, dem der keine Sünde kannte, aber auf den alle Sünde gelegt wurde und Er Sühnung für die Welt und Versöhnung für die Gläubigen erwirkt hat, verweist der Gläubige wenn die Sünde an ihn herantritt, sein Fleisch, die adamitischer Natur sich meldet. Dadurch, das er dies im Glauben bekennt, hält er sich für der Sünde gegenüber mit gestorben und mit begraben. Das rechtliche Prinzip der Stellvertretung ist mit dem „in Christus-Sein“ gemeint. Mit dieser Haltung töten wir unsere sündigen Glieder und geben es in den Tod Christi mit hinein.

Schreibt Kopfermann auf Seite 12, das er mit der konkreten Kritik an Luther in einer Frage nicht die reformatorischen Grunderkenntnisse in Gänze ablehnen würde, zeigt sich in seiner Argumentation jedoch, daß seine Entfremdung fundamentaler ausfällt als er meint. Hier ist kein reformatorischer Kenntnisstand mehr vorhanden.

Kopfermann lehrt im Kapitel Vier „Glauben“ in sechs Punkten als eine Art „Inbesitznahme“ geistlich erfahrbarer Eigentümer, er sagt zusammenfassend (S.134)

Kopfermann: „Wirklicher Glaube erlebt immer – früher oder später – das, was er geglaubt hat: Er wird zur Erfahrung.“

Er beginnt (Punkt1) durchaus grundlegend biblisch (wenn auch in der Ausführung am kürzesten) damit, das „Glauben“ immer „Antwort auf Wort Gottes“ ist. Möchte zwischen  „Heils-Tatsachen“ und „Verheißung“ unterschieden wissen (Punkt2), bemüht hier jedoch viel zu Verallgemeinernd den „Aorist“ (als eine in der Vergangenheit liegende, vollendete Handlung) um seine These zu begründen. Dieser hat insofern absolut seine Berechtigung, das daß Heilsgeschehen für uns in der Vergangenheit bewirkt wurde, aber nicht als eine „erfahrbare“ Wirklichkeit, sondern einer glaubbaren Wirklichkeit.

Kurz und knapp (Punkt3) bezeichnet er den Glauben als eine Wirkung Gottes. Er versteht „Glaube“ als umkämpft (Punkt4) von „Erfahrungen„, „dem Wunsch, zuerst zu sehen„, der „Gefühlswelt“ und der „Ungeduld„. Für den geistlichen Menschen sei der Zweifel „unnatürlich und insofern Sünde„, als das Gottes Aussagen in Frage gestellt würden, daher sei eine grundsätzliche Koexistenz von „Glaube und Zweifel“ auszuschließen (Punkt5). Ausgehend von Mk11,24

Darum sage ich euch: Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubt nur, dass ihr’s empfangt, so wird’s euch zuteil werden.

stellt Kopfermann dann (Punkt6) folgende Behauptung auf: Kopfermann: „Wer behauptet, der Mensch könne Gott im Blick auf eine in der Schrift klar bezeugte Heils-Tatsache oder Zusage vertrauen, ohne sie doch zu erleben, kritisiert Gottes Wort und begibt sich damit in eine schwierige geistliche Position.“

In Kapitel Fünf (Wirklichkeit contra Wirklichkeit) greift Kopfermann erneut die nicht zu leugnende Spannung auf, daß die alte Natur auch nach dem was Christus getan hat, nach wie vor existent ist.

Kopfermann: „Wir kommen meines Erachtens nicht darum herum, sowohl das, was Gott in Jesus Christus für uns getan hat, als auch das, was wir noch an „Altem“ an uns und um uns herum beobachten, als „Wirklichkeiten“ zu bezeichnen.

Er möchte erstere als „unendlich überlegene“ Wirklichkeit bezeichnen. Da möchte man ihm nicht einmal widersprechen, aber mit dieser realistischen Anerkenntnis gräbt er – wieder einmal – seiner eigenen These das Wasser ab und bestätigt die Richtigkeit des lutherischen Prinzips „simul iustus et peccator„. Denn nichts anderes als die Existenz zweier „Wirklichkeiten“ die miteinander im Widerstreit liegen besagt dieses.

Kopfermann kann sich jedoch nicht mit zwei nebeneinander existierenden „Wirklichkeiten“ zufrieden geben, da er offenkundig von einer anderen grundlegenden „Erkenntnis“ ausgeht, welche sich aber weder auf das biblische Menschenbild noch die alltägliche Erfahrung berufen kann, sondern ein völlig anderes anthropologisches Selbstverständnis, das sich aus dem romantisch-verklärten und positivistisch Menschenbild der Aufklärung speist. Hat er zuvor die Wirklichkeit des „in Christus-Sein“ als „unendlich überlegen“ gewertet, stuft er in Kapitel Sechs (Wahrhaftigkeit und Wahrheit) die Wirklichkeit des „Alten“ zur „Wahrhaftigkeit“ herunter. Ausgehend von einer „befreienden WahrheitJoh8,31-32[1] die wir reden sollen. Hier blicken wir in das Angesicht des „Positiven Denkens“ und Bekennens[2] welches uns aus der pfingstlich-charismatischen Bewegung bekannt ist. Es gäbe zuviel „verdeckte und verschleierte Rede“ der es zur Wahrheit an Authentizität fehle:

Kopfermann: „In diesem Konflikt muß der Gläubige Stellung beziehen! Er muß sich immer wieder auf die Seite der (objektiven) Wahrheit gegen die (subjektive) Wahrhaftigkeit stellen, auch wenn es ihm zunächst einmal schwer fällt.“

Bei den Trainern der Motivations-Gilde heißt es dann: „Du bist, was Du denkst“…

Eine so erfreuliche wie widersprüchliche Feststellung findet sich gleich zu Beginn des Kapitels Sieben (Das Ende der eigenen Anstrengung). Kopfermann bestätigt, das wahres geistliches Leben der Gläubigen durch den Heiligen Geist initiiert, getragen und gestaltet wird, ohne Mitwirkung der Gläubigen. Und er schreibt:

Kopfermann: „Hinzu kommt ein Weiteres: Der Christ hat in der Wiedergeburt keine Wesensveränderung empfangen. Er ist an sich und in sich selber noch der alte. Etwas plakativ ausgedrückt: Zieh Jesus von Dir ab, und Du bist auch als Wiedergeborener noch der Mensch, der Du immer warst.“

Er fügt leider hinzu: „Der neue Mensch in uns trägt nicht den Namen, den uns Menschen verliehen haben; er hat einen göttlichen Namen – er heißt Jesus Christus.“

Wieder beschwört Kopfermann im Gegenteil zu dem was die Bibel lehrt und auch manchem – hier im Satz zuvor – was er selber sagt, eine mystische Ebene im Menschen selbst herauf.

Kopfermann möchte im Kapitel Acht (Nur noch eine Identität), den „human-wissenschaftlichen“ Begriff der „Identität“ auch in geistlich-theologischer Hinsicht benutzen und stößt dabei auf ein Problem, denn so will Luther sein „simul iustus et peccator“ gar nicht verstanden wissen. Luther denkt hier wie Paulus in juridischen Kategorien bzw. benutzt eine völlig andere, biblische Begrifflichkeit. Hat er im ersten Teilband noch von „Partizipation und Transformation“ gesprochen, und diesem im letzten Kapitel widersprochen, als er einer Wesensveränderung eine Absage erteilt, behauptet er nun wieder, das es doch eine Veränderung gegeben habe, das unser „Fleisch“ wirklich am Kreuz gestorben wäre.

Was für ein durcheinander! Warum nicht bei den biblischen Bezeichnungen bleiben?

Der Gläubige besitzt der Schrift (Joh3,6) folgend zwei Naturen, eine, die „aus dem Fleische geboren ist“ und ihrem Wesen nach Gott nicht gefallen kann, und eine andere, die „aus dem Geiste geboren ist“, und ihrem Wesen nach nicht sündigen will, weil sie aus Gott geboren ist.

Im Kapitel 7 des Römerbriefes werden diese beiden Naturen gegenüber gestellt, z.B. im letzten Vers: „Also nun diene ich selbst mit dem Sinne“ (mit dem erneuerten Geist, der neuen Natur) Gottes Gesetz, mit dem Fleische aber (mit der alten Natur) der Sünde Gesetz.“ Und in den Versen 22-23: „Denn ich habe Wohlgefallen an dem Gesetz Gottes nach dem in­nern Menschen; aber ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines Sinnes widerstreitet“

Auch der Galaterbrief ist da völlig eindeutig: Galater 5,17 Das Fleisch begehrt auf gegen den Geist und der Geist gegen das Fleisch; die sind gegeneinander.

Der Unterschied zwischen einem Ungläubigen und einem Gläubigen besteht doch darin, das der Ungläubige im Frieden mit der Sünde lebt, der Gläubige jedoch im Krieg. Der Ungläubige hat nur eine Natur, die alte, während der Gläubige zwei Naturen hat, die alte aus dem Fleisch und die neue aus dem Geist.

Kopfermann: „Nach 2.Kor 5,17 ist der Gläubige ein neues Geschöpf „in Christus“. Er ist es nicht bloß teilweise! „Das Alte ist vergangen – Neues ist geworden.“ Man muss dieser Aussage wirklich Gewalt antun, um in ihr eine Koexistenz von „Alt“ und „Neu“ im Christen bezeugt zu finden. Seine Identität ist von daher bestimmt, dass er in Christus eine neue Schöpfung – und nur eine neue – ist. Weil im Kreuzestod Jesu Christi die alte Schöpfung beendet wurde und mit seiner Auferstehung die neue begann, ist nun der  Christ als Teilhaber der Oster-Wirklichkeit selber ein neues Geschöpf.“

man erinnert sich:

Kopfermann: „Der Christ hat in der Wiedergeburt keine Wesensveränderung empfangen. Er ist an sich und in sich selber noch der alte.“

Also doch eine Wesensveränderung!? Kopfermann verwirrt oder ist selber verwirrt…

Kopfermann: „Wir können es lernen, uns für die zu „halten“, für die Gott uns hält – uns so zu sehen, wie Gott uns sieht, auch wenn wir uns dabei anfangs noch etwas unsicher fühlen.“

Im neunten Kapitel (Wie erkenne ich meinen „alten Menschen“?) läßt uns Kopfermann an seinem Menschenbild teilhaben, das sich aus drei von ihm identifizierten Größen zusammensetzt: dem neuen ich („Christus in mir“), meinem alten Ich („alter Mensch“), sowie der „Geschöpflichkeit“. Aus welchem Grund auch immer, vermeidet er biblische Begrifflichkeiten, und hantiert lieber mit verschiedenen anderen „Identität„, dem „alten“ und „neuen Ich„, „Gesamtpersönlichkeit„. Hier spielen offensichtlich psychologische Kategorien – wie bereits in seinem Buch („Farbenwechsel. Ein Grundkurs des Glaubens“) – eine entscheidende Rolle in Kopfermann’s Lehre. Auch dort  argumentierte Kopfermann mit psychologischen Begriffen und Kategorien wie „Tiefenschichten“, „Menschheitserinnerungen“ im Sinne C.G. Jung’s. Vollkommen unbiblisch wird es, wenn er dem Menschen grundsätzlich eine neutrale „Geschöpflichkeit“ zuspricht, bei welcher er sowohl positive Eigenschaften, erhaltenswertes und andererseits, gewisse ins negative verkehrte Extreme zu verorten meint. Die Bibel lehrt anderes, nämlich die totale Verderbtheit des Menschen. Der ganze Mensch – Verstand, Gefühle, Wille und Leib – Leib und Seele, ist durch die Sünde korrumpiert und untauglich für Gott, deswegen bedarf es einer Neugeburt „in Christus“. Dabei drückt „in Christus“ durch den Glauben die Hoffnung und Gewissheit aus, das Sein Sterben unser Sterben ist und Seine Auferstehung unsere Auferstehung und wir nach unserem Tod, auferstehen, wie Er auferstanden ist. Die Bibel nennt alles was aus dem Fleisch kommt, als gegen den Geist gerichtet. Geist und Fleisch sind die beiden Naturen des Gläubigen. Der Leib gehört zum Fleisch dazu. Die Bibel gebraucht das Wort „Fleisch“ (griechisch „sarx“) auf zweifache Weise. Einmal bezeichnet sie damit den menschlichen Körper, den Leib und seine Glieder. Das ist in 1Kor15,50 der Fall: „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben“ . Damit ist unsere sterblicher, adamitischer Leib gemeint. Aber die Schrift bezeichnet auch die verdorbene Natur des Menschen „Fleisch“, der mit Leib und Seele gefallen ist. „Fleisch“ meint in solchen Fällen also die gesamte sündhafte Ausrichtung des Menschen oder, wie die Bibel auch sagt, seine „alte Natur“, die absolut von der Sünde beherrscht wird.

Kopfermann: „Meine These lautet ganz anders, nämlich folgendermaßen: Welche Anteile meiner Gesamtpersönlichkeit dem alten Menschen zugerechnet sind, kann mir letztendlich nur der Heilige Geist zeigen, nicht ein abstrakte Schema, das ich mir selbst zurecht gelegt habe oder das andere mir beigebracht haben. Sein offenbarendes Licht muß mir jene Selbsterkenntnis schenken, zu der ich allein nicht fähig bin.“

In dem ganzen Kapitel spielt das Wort Gottes als Mittel Gottes zur Selbst- und Sündenerkenntnis absolut keine Rolle. Die „persönliche Offenbarung“ aus Kapitel , eine mystische Gottesunmittelbarkeit muß herhalten.

Hat Kopfermann in verwirrend Weise, in den vorherigen Kapiteln, sein Verständnis über das Wesen des Menschen ausgeführt, möchte er im zehnten Kapitel (Freiheit vom „alten Menschen“) die daraus seiner Meinung nach erwachsene Freiheit in fünffacher Weise darlegen. Einleitend erklärt er entgegen biblischer Lehre:

Kopfermann: „Weil ich vom „alten Menschen“ erlöst bin, bin ich frei von den sündigen Haltungen, die zu mir als einem Sohn bzw. Töchter Adams gehörten. Früher war ich ein Teil der adamitischer Menschheit, der Menschheit nach dem Sündenfall (siehe Röm5,12-21).“

Der Gläubige ist keinesfalls von dem „alten Menschen“ befreit bzw. bleibt zeitlebens „Teil der adamitischer Menschheit“. Kopfermann – das muß man leider konstatieren  – kennt das Evangelium nicht.

Der Gläubige ist „in Christus“ grundlegend befreit

  • von dem Fluch bzw. Der Strafe der Sünde und
  • von der Herrschaft der Sünde
  • Und ist gerechtfertigt vor Gott, Miterbe Christi

Das heißt, das der Gläubige  nicht wie Kopfermann in fünf Punkten darlegt, endgültig frei bin von (A) seinen alten Haltungen, (B) Auswirkungen seiner Familiengeschichte, (C) seinen Prägungen durch Erziehung, oder  (D) vorchristlichen Lebensführung,  (E) antichristlichen Zwängen der westlichen Kultur ist.

Hier lehrt Kopfermann wider die Heilige Schrift, da die fleischliche Natur anhaltend bzw. zeitlebens im Widerstreit bzw. Krieg gegen die geistliche Natur des Gläubigen liegt (Gal5). Kopfermann hat fundamentale Wahrheiten des christlichen Glaubens nicht verstanden. Richtig ist, das wir von der Zwangslaufigkeit, dem Gesetz der Sünde befreit sind. Wir haben durch bzw. in Christus die Freiheit diesen Haltungen oder Zwängen nicht nachzugeben oder -gehen. Aber das ist ein Unterschied. Stellt er doch in seiner Verwirrung selber fest, das es keine Wesensveränderung beim Gläubigen gegeben hat. Was bleibt noch zu sagen?

Auch im elften Kapitel (Befreiung von Gewohnheitssünden) begegnet uns der gleiche Irrtum wie zuvor und wird verbunden mit dem bekannten pfingstlich-charismatischen Motto: Glaube das du es bereits erhalten hast, es gehört Dir, es wird sichtbar werden… etc.pp. Kopfermann variiert Bekanntes und verpackt es in ein 10 Punkte-Programm.

Wie gehe ich nun tatsächlich mit Gewohnheitssünden um? Eine berechtigte Frage, die jedoch einfach zu beantworten ist. Grundsätzlich ist das Wort Gottes die entscheidende Grundlage um Sünde überhaupt erkennen zu können. Der Geist Gottes läßt das Wort lebendig werden und es wird Licht in mein Dunkel bringen. Wenn ich die Sünde erkannt und wirklich bereut habe, kann ich mir der Vergebung und Reinigung völlig gewiss sein. Ich darf wissen, das ich als Kind Gottes nicht mehr unter der Herrschaft der Sünde stehe und in der Situation, in der diese Sünde an mich herantritt, mein Fleisch, meine alte Natur sich meldet, habe ich die Wahl meinem Fleisch nachzugeben, oder meinen Geist unter Antrieb des Heiligen Geistes herrschen zu lassen. Die Bibel nennt das dann z.B. „Töten der Glieder“, „geistlich gesinnten sein“. Das gelingt anfänglich seltener, später mehr, aber potentiell bleibt die Möglichkeit des Hinfallens ein Leben lang bestehen. Entscheidend ist, das wir wieder aufstehen.

Das nächste Kapitel (Kapitel 12, In der „neuen Schöpfung“ wachsen) enthält einige praktische Ratschläge oder Appelle mit denen Kopfermann das Wachstum der sogenannten „neuen Schöpfung“ zu unterstützen sucht. Kopfermann meint, das Heilswerk Christi ergänzen zu müssen bzw. zu können. Ich halte das für nicht nur fatal, sondern evangeliumsfremd.

Anhand von vier recht willkürlich ausgewählt erscheinenden Beispielen aus Röm 12 möchte Kopfermann im Kapitel Dreizehn (Positive Veränderungen bei geistlichen „Defiziten“), die Erfüllbarkeit konkreter paulinischer Ermahnungen im Leben einer „neuer Schöpfung“ aufzeigen.

Kopfermann möchte dabei weg von einer von ihm so erkannten  gängigen „defizitären Methodik„, hin zu einer Umsetzung des

  • 1. realen Vorbilds Christi und der
  • 2. Innewohnung des Heiligen Geistes

welche seiner Überzeugung nach lediglich im Leben des Gläubigen „Gestalt gewinnen“ muß.

Kopfermann verkennt, das Christus primär nicht Vorbild der Gläubigen ist, sondern Stellvertreter in der Erlösung. Natürlich war Er als Gottes Sohn, und nicht abstammend von Adam sündlos, aber auch wenn Kopfermann es sich noch so sehr wünscht, als Nachkommen Adams bleiben wir dem Fleisch nach der Sünde verhaftet.

Ausgehend von verschiedenen Texten möchte Kopfermann im Kapitel Vierzehn (Umgang mit Versuchungen) aus zwei von Paulus verwandten Begrifflichkeiten eine „Kennzeichnung der gegenwärtigen christlichen Existenz“ ableiten.

Histeemi“ und „steekoo„. Beide werden mit „stehen“ übersetzt. Soweit so gut. Ohne jeden Zweifel läßt sich hier wesentliches ableiten, aber keineswegs das von Kopfermann gemeinte. Hat er im vorherigen Kapitel vermeintlich eine „defizitäre Methodik“ entdeckt, welche ein „aktives Niederringen der Versuchung“ betreiben würde, und sieht in dieser „die ältere Art des Kampfes“ möchte er für den Personenkreis der seiner Lehre folgt, derjenigen, „die im Lichtkegel der neuen Schöpfung kämpfen“ ein anderes Vorgehen vorsehen, sich der Versuchung gegenüber für tot zu erklären.

Hier wird der „Stand“ des Gläubigen als „Gerechtfertigter vor Gott“ angesprochen. Was soll daran nun aber neu sein? Darauf hätte er bereits im dritten Kapitel des ersten Teilbandes eingehen können, nein müssen, als er das Mitgekreuzigt-, Mitgestorben- und Auferstandensein behandelt hat. Denn um die Stellvertretung Christi geht es dabei.

Auch wenn er es nicht explizit ausspricht, unterscheidet Kopfermann implizit zwischen zwei Kategorien von Gläubigen:

Kopfermann: Wie gehen wir als Christen, die ihr Zuhause in der neuen Schöpfung gefunden haben, mit Versuchung um? Die ältere Art des Kampfes läßt sich am besten mit dem Bild des heiligen Georg veranschaulichen, der seine Lanze dem Drachen, dem Teufel bzw. der Sünde, in den Rachen stößt. Hier ging es um ein aktives Niederringen der Versuchung, bei dem natürlich Jesus um Hilfe gebeten wurde. Dieses Modell empfiehlt sich nicht für Menschen, die im Lichtkegel der neuen Schöpfung kämpfen wollen.

Es gibt also auf der einen Seite „Christen, die ihr Zuhause in der neuen Schöpfung gefunden haben,“ und auf der anderen solche, die dies nicht haben. Den Unterschied macht das persönliche Wollen. Das ist grotesk!

Man kann nur, nein muß wiederholen: Christus ist bereits heute bzw. seit der historisch verbürgten Auferstehung vor 2000 Jahren leiblich die „neue Kreatur„, der Erstgeborene von den Toten. Daran Glaubende dürfen aufgrund dieses Glaubens die Hoffnung und Gewissheit haben, bei der leiblichen Auferstehung der Toten persönlich Anteil daran zu bekommen.

Kopfermann’s „neue Kreaturen“ unterscheiden sich grundsätzlich von denen bei Luther und bei Paulus. Tod. Auferstehung und Neuschöpfung sind reale, leibliche Kategorien, keine allegorisch, oder geistlich zu verstehenden Größen.

Kopfermann hingegen lehrt, das eine Koexistenz zweier Naturen ausgeschlossen ist und der Gläubige bereits gegenwärtig eine neue Kreatur ist:

Kopfermann: „Nach 2.Kor 5,17 ist der Gläubige ein neues Geschöpf „in Christus“. Er ist es nicht bloß teilweise! „Das Alte ist vergangen – Neues ist geworden.“ Man muss dieser Aussage wirklich Gewalt antun, um in ihr eine Koexistenz von „Alt“ und „Neu“ im Christen bezeugt zu finden. Seine Identität ist von daher bestimmt, dass er in Christus eine neue Schöpfung – und nur eine neue – ist. Weil im Kreuzestod Jesu Christi die alte Schöpfung beendet wurde und mit seiner Auferstehung die neue begann, ist nun der  Christ als Teilhaber der Oster-Wirklichkeit selber ein neues Geschöpf.“

Mit aller Macht argumentiert Kopfermann gegen den klaren äußeren Sinn der Schrift, lehrt die Notwendigkeit inneren Verstehens, notwendiger geistlicher Offenbarungen, ein Fürwahrhalten objektiver Wahrheit und unendlich überlegenerer Wirklichkeit gegenüber einer bloßen Wahrhaftigkeit der es an Authentizität fehle. Durch Partizipation und Transformation, einem im Glauben empfangen, gewinnt seiner Lehre folgend, die neue Schöpfung bzw. Kreatur bereits gegenwärtig in der alten Schöpfung Gestalt deren Tod bereits zum Abschluss gekommen, und derfuturistischen Vorbehalt ein Irrtum derer sei, denen wie Luther, diese Offenbarung fehle.

Das hat nichts mehr mit dem Glaubensgut der Reformation und leider auch nichts mit dem Evangelium zu tun.

Mit vielen Bibelzitaten möchte Kopfermann im fünfzehnten Kapitel (Einst und jetzt) seine „neuen Kreaturen“ emotional unterfüttern, spricht von einer „Zeitenwende“ bzw. „Christus-Zeit“ die er jedoch wiederum nicht zeithistorisch versteht, sondern biographisch bei der Bekehrung, „Hinwendung zu Christus“ ansiedelt:

Kopfermann: „Wenn Paulus mehrfach von dem „Früher“ und „Jetzt“ der christlichen Existenz redet, so spielt er natürlich auch auf die geistlichen Erfahrungen an, die seine Leser bei ihrer Abwendung vom Unglauben und ihrer Hinwendung zu Christus gemacht haben. Noch tiefer geht es ihm allerdings um die objektive Veränderung ihrer Situation vor Gott.“

Sieht man mal davon ab, das Gott den Menschen zur Buße/Umkehr (Abwendung/Hinwendung) führt, geht es darum, das Christus real erschienen ist, als die Zeit erfüllt war (historisch-leiblich) und das Er letztgültig Sühnung und Stellvertretung (rechtlich-zurechnend) für die bewirkt hat deren Glaube daran, die verheißene Hoffnung des Evangeliums ist. Nicht unsere „Erfahrung„, unsere „Situation“ bedarf der Veränderung, sondern unsere rechtliche Stellung. Der Sünder erfährt durch Glauben Zurechnung seiner Schuld auf Christus bzw. dessen Schuldlosigkeit auf sich Rechtfertigung durch die  Stellvertretung Christi, also „in Christus„. Objektiv Sünder, aber Gerechter zugleich: simul iustus et peccator!

Im sechzehnten Kapitel, “ Woran liegt es, wenn es nicht klappt?“, zählt Kopfermann verschiedene Hinderungsgründe auf, weshalb Christen diese Umgestaltung nicht erfahren und führt grundlegend (A)Erkenntnis- bzw. Belehrungsmangel ins Feld. Es sei ein Verdienst der im 19. Jahrhundert entstanden Heiligungsbewegung die diesbezüglichen Quellen im NT wiederentdeckt zu haben. Richtig kann man da nur sagen! Diese Kehrtwende, weg von den zentralen Erkenntnissen der Reformation, der Rechtfertigung aus dem Glauben allein, hin zu einem synergistischen Rechtfertigungserleben bzw. geeiligtem Leben und einer mystischen Gottesunmittelbarkeit ist deren zweifelhafter „Verdienst„.  Das „Festhalten am ‚alten Menschen'“ (B), „zu geringe Ausdauer“ (C), „übertriebene Selbstbeobachtung“ (D), „Mißtrauen gegenüber Gottes Wort“ (E) und „ungebrochenes Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten“ (F), trügen dazu bei, die geistliche Wahrheit zu verschleiern.

17. Meditation als Aneignungshilfe

18. Das ABC der Lebensfülle in Christus 178

19. Entgrenzte Liebe 182

20. Gebet aufgrund von Römer 6,10-11 183

21. Vertrauensvolles Gebet zum Heiligen Geist 184

In den letzten Kapiteln werden die, welche sich auf dieses Denken einlassen durch verschiedene Methoden, beispielsweise Meditation angeleitet die versprochene Veränderung zu unterstützen.


[1] Zu den Juden, die nun an ihn glaubten, sagte Jesus: »Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger, und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.«

 

[2] Visualisierung, Yonggi Cho